Angelika Munteanu kommentiert:

Justitia steigt vom Thron

OTZ vom 10.02.2015 

Warum mahlen Gerichtsmühlen mitunter so langsam? Warum wird ein Angeklagter freigesprochen, obwohl er schuldig ist? Was hat ein Staatsanwalt zu ermitteln? Und wie ist das Leben hinter Gefängnismauern?

Fragen, die Bürger immer wieder stellen. Erst recht, wenn ihr Verständnis weit mit einem Urteil eines Richters auseinanderklafft. Der noch junge Förderverein Rechtspflege, Kunst und Kultur Gera e."V. will Brücken bauen zwischen Justitia und den Bürgern, die verstehen wollen. Und das künftig über die Grenzen Geras hinaus in ganz Thüringen. Mit dem Verein kommt Justitia längst nicht mehr als versteinerte Göttin daher, die über den Dingen thront und zu Gericht sitzt. Verkrusteter Paragraphen-Dschungel soll aufgebrochen werden. Denn letztlich ist Justiz kein Selbstzweck, sondern für ein geordnetes Miteinander der Bürger da.

Geraer Verein will zu mehr Akzeptanz für die Rechtsprechung beitragen

10.02.2015 

Justitia baut Brücken zu den Bürgern: : Der Geraer Verein Rechtspflege, Kunst und Kultur e."V. will thüringenweit zu mehr Akzeptanz für die Rechtsprechung beitragen. Und er will Rechtsgeschichte für die Zukunft bewahren.

Udo Pein, Vorsitzender des Vereins Rechtspflege, Kunst und Kultur Gera e.V., mit dem Pranger am Geraer Rathaus. Foto: Angelika Munteanu

Gera. Nein, verschrecken wolle sein Verein keineswegs jemanden, sagt Udo Pein - mit dem Pranger am Geraer Rathaus in der Hand. Und der vor wenigen Tagen neu gewählte Vorsitzende des Vereins Rechtspflege, Kunst und Kultur Gera e."V. setzt hinzu: "Unser größter Wunsch ist es, dass wir mit unserer Vereinsarbeit dazu beitragen können, dass die Kriminalität in Thüringen sinkt."

Ein Kernanliegen des im November 2012 gegründeten Fördervereins ist es, den Bürgern eine Brücke zum Recht zu bauen. Das Anliegen soll, so hat der Verein in seiner Mitgliederversammlung entschieden, künftig über die Stadt Gera hinaus in ganz Thüringen verfolgt werden. Kontakte nach Jena, Gräfentonna, Arnstadt gebe es bereits allein schon durch die 33 Mitglieder im Verein. Unter ihnen sind nicht nur Richter, Rechtsanwälte, Staatsanwälte, Vertreter von Justizvollzugsanstalten, Rechtspfleger, Mitarbeiter der Universität Jena, Berufsbetreuer und Kommunalpolitiker, sondern auch Bürger. "Wir sind offen für alle, die sich für unsere Anliegen interessierten und mitarbeiten möchten", sagt Pein. Den größten Zulauf hatte der Verein im Herbst vergangenen Jahres erlebt, nach der ersten Nacht des Rechts, zu der der Verein und Justitia ins Justizzentrum Gera Anfang Oktober eingeladen hatten. Eine zweite Nacht des Rechts wird es geben im nächsten Jahr und dann möglicherweise in Jena. "Sie soll etwas Besonderes bleiben, deshalb werden wir sie nicht jährlich veranstalten", sagt Pein.

Zu einer dauerhaften Aufgabe hat sich der Verein die Betreuung von Schülern beim Besuch von Gerichtsveranstaltungen gemacht. Die nächsten Termine für März und April stehen bereits im Vereinskalender: Verhandlungen an Gerichten zu Messerstecherei, Meineid, Drogen, räuberischer Erpressung. "Wir bereiten mit den Schulklassen im Unterricht den Besuch der Gerichtsverhandlung anhand der anonymisierten Anklage inhaltlich vor. Damit verstehen sie in der Verhandlung dann auch besser die Abläufe". Im Anschluss werde der Prozess vom Richter oder Staatsanwalt mit den Schülern ausgewertet. Ähnliche Bildungsangebote gibt es von der Rechtsanwältin Tina"Neupert für Erwachsene.

Schüler des Goethegymnasiums und des Zabelgymnasiums sind eingebunden, um gemeinsam mit Vereinsmitgliedern, dem Rechtsgeschichtsprofessor Gerhard Lingelbach und dem Geraer Rechtspfleger Udo Hagner, die historischen und heutigen Gerichtsstätten Gera in Seminarfacharbeiten zu erforschen. "Solche Gerichtsstätten gab und gibt es viele", weiß auch Udo Pein und zählt den Galgenberg, das reußischen Amtsgerichtsgebäude am Mohrenplatz in Untermhaus, das heutige Justizzentrum und eben jenen Pranger am Markt beispielhaft auf. Bezug zur reußischen Staats- und Rechtsgeschichte nimmt auch das Logo, das sich der Förderverein gewählt hat: der Bergfried, der von der Schlossanlagen der Reußen auf dem Osterstein über Untermhaus übrig geblieben ist. Nach den Vorträgen über die Rechtsgeschichte Geras soll es in diesem Jahr eine Zweitauflage in Jena geben, unter anderem zu Hexenprozessen im heutigen Ostthüringen.

Auch das Buch "Mordfälle in Ostthüringen", das in Gera bereits auf gute Resonanz gestoßen ist, wird mit seinem Autor Hans"Thiers und seinem Verleger Michael Kirchschlager auf Reisen durch Ostthüringen gehen. Stationen sind Altenburg, Rudolstadt, Stadtroda und Pößneck, kündigt Pein an.

Auch Vorträge zur Rechtsgeschichte am Justizzentrum Jena sind vorgesehen. Im Plan sind für dieses Jahr drei Podiumsdiskussionen, die der Vizepräsident des Landgerichts Gera, Götz Herrmann, vorbereitet. Themen sind das Spannungsfeld zwischen Recht und Gerechtigkeit, die Frage nach dem richtigen Strafmaß und die Gefahr weicher Drogen.

Auch die Pflege von Kultur und Kunststätten setzt der Verein fort. Auf die jüngste Bilderausstellung "Bäume" von Heinz"Frotscher im Justizzentrum Gera soll eine Schau mit Bildern in Öl von Ulrich Tröger aus Großenstein folgen. Zudem soll das künstlerische Schaffen von Strafgefangenen, das in der Justizvollzugsanstalt Gräfentonna zu sehen ist, in Gera ausgestellt werden. Und der Verein setzt sein Engagement fort, um einen neuen Übungstisch für das Glockenspiel im Geraer Rathausturm zu beschaffen.

Nicht nur zu Bürgern, auch unter den Mitarbeitern der Justiz will der Verein Brücken bauen. Dazu gehört auch die geplante Fortbildung für Rechtsanwälte zum Gebührenrecht.